Ein Durchsuchungsbeschluss ist jedenfalls dann unverhältnismäßig und daher rechtswidrig, wenn die in seiner Begründung aufgeführten Taten schon länger zurück liegen und daher nach kriminalistischer Erfahrung keine Erfolgsaussicht mehr besteht, noch Beweismittel für die Taten zu finden. (BVerfG, Beschluss vom 29.10.2013 – 2 BvR 389/13)
18 Monate zurückliegende Taten reichen nicht
Im Fall, welcher der Entscheidung zugrunde lag, wurde eine Wohnung durchsucht, um dort nach Betäubungsmitteln zu suchen, die 18 Monate zuvor von der Wohnungsinhaberin erworben worden sein sollten. Wieso sich die gesuchten Betäubungsmittel noch anderthalb Jahre nach dem Erwarb in der Wohnung befinden sollten, wurde im Beschluss nicht näher begründet.
Lebensnahe Betrachtung muss einen Auffindeverdacht bzgl. der Beweismittel ergeben
Einer derartigen Praxis hat das Bundesverfassungsgericht eine klare Absage erteilt. Es führt sehr instruktiv aus:
“Dem aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden verfassungsrechtlichen Gebot hinreichender Erfolgsaussicht einer Durchsuchung (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>; BVerfGK 5, 56 <58, 59>) ist genügt, wenn aufgrund kriminalistischer Erfahrung eine Vermutung dafür besteht, dass die gesuchten Beweismittel aufgefunden werden können (vgl. Wohlers, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Bd. II, 4. Aufl. 2010, § 102 Rn. 18 m.w.N.). Insoweit ist vorliegend zu beachten, dass dem Durchsuchungsbeschluss vom 18. September 2012 der Verdacht des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 28. Februar 2011 zugrunde lag. Die gebotene Erfolgsaussicht der angeordneten Durchsuchung wäre daher nur gegeben, wenn nach kriminalistischer Erfahrung eine Vermutung dafür bestand, dass auch 18 Monate nach dem spätest möglichen Tatzeitpunkt Beweisgegenstände zum Nachweis des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln durch die Beschwerdeführerin aufgefunden werden können.
Dies ist weder dargetan, noch in sonstiger Weise ersichtlich. Dabei ist davon auszugehen, dass zum Konsum oder Weiterverkauf bestimmte Betäubungsmittel im Regelfall nur eine geringe Verweildauer beim Ankäufer haben. Einer Durchsuchung, die auf dem Verdacht beruht, dass der Beschuldigte vor erheblicher Zeit Drogen zum Eigenkonsum erworben oder besessen haben soll, kann es daher an der notwendigen Erfolgsaussicht fehlen (vgl. LG Koblenz, Beschluss vom 28. November 2008 – 9 Qs 76/08 -, juris, Rn. 32 <zehn Monate>; LG Oldenburg, Beschluss vom 26. Mai 2008 – 2 Qs 103/08 -, juris, Rn. 8 <acht Monate>; LG Zweibrücken, Beschluss vom 11. Juni 1990 – 1 Qs 105/90 -, NJW 1990, S. 2760 <sieben Monate>; Wohlers, a.a.O., Rn. 22; vgl. auch Meyer-Goßner, a.a.O., § 102 Rn. 15a; Schäfer, in: Löwe/Rosenberg, Bd. 2, 25. Aufl. 2004, § 102 Rn. 12). Vorliegend war die Beschwerdeführerin verdächtig, Mengen von jeweils 5 bis 6 g Crystal-Speed von dem gesondert verfolgten D. erworben zu haben. Der Verbrauch solcher Mengen mag zwar nicht unmittelbar erfolgen, allerdings konnte bei lebensnaher Betrachtung ausgeschlossen werden, dass 18 Monate nach dem spätesten Erwerb noch Reste dieser Betäubungsmittel bei der Beschwerdeführerin aufzufinden sind. Ebenso wenig war davon auszugehen, dass schriftliche oder elektronische Aufzeichnungen über mindestens 18 Monate zurückliegende Betäubungsmittelgeschäfte aufgefunden werden können.” (BVerfG, aaO)
Nur verfahrensgegenständliche Taten können Auffindeverdacht stützen
Auch dem Einwand, dass Drogendelikte (wie Erwerb, Besitz und Handeltreiben) regelmäßig wiederholt betrieben werden, und daher im allgemeinen eine Durchsuchung auch noch längere Zeit nach den verdachtsbegründenden Taten erfolgen kann (so etwa BVerfG 2 BvR 1873/04 (=BVerfGK 4, 303)), liess das Bundesverfassungsgericht nicht gelten:
“Mögliche Wiederholungstaten in der Folgezeit waren nicht Gegenstand des Ermittlungsverfahrens und können daher für die Beurteilung des Auffindeverdachts keine Rolle spielen.” (BVerfG, aaO)
Photo: Polizei by Libertinus