„Besetzungslotto“ – 2. Strafsenat des BGH verfassungswidrig besetzt!

lotterie photoIch hatte hier berichtet, dass ich im Rahmen eines Revisionsverfahrens die Besetzung des 2. Strafsenats als fehlerhaft gerügt habe. Über meine Rüge wurde bisher nicht entschieden, allerdings fand wohl gestern der erste Sitzungstag in diesem Jahr statt. Dort hat der 2. Strafsenat des BGH kurioserweise divergierend entschieden, einmal dahingehend, man sei korrekt besetzt, einmal dagingehend, man sei verfassungswidrig besetzt.

Einen Artikel diesbezüglich findet man heute in der SZ. Dort heisst es:

Ein halber Vorsitzender ohne Ernennungsurkunde oder ein doppelter ohne ausreichende Aktenkenntnis: Was nun rechtens ist, weiß selbst der 2. Strafsenat nicht. Am Mittwoch hatte das fünfköpfige Senat – in einer um zwei Richter veränderter Besetzung – nämlich noch einen zweiten Fall zu entscheiden. Das Ergebnis ließ sämtliche Juristen im Saal ratlos zurück. ‚In willkürfreier Auslegung‘ sei man zur Auffassung gelangt, der Senat sei doch ordnungsgemäß besetzt.

(http://www.sueddeutsche.de/55E38m/411469/Richter-mit-Doppelleben.html)

Verrückt! Jetzt hat man nicht nur divergierende Rechtsprechung einzelner Senate, sondern auch innerhalb eines Senats. Für die Revisionsführer heisst es daher wohl derzeit, „Besetzungslotto“ zu spielen. Je nachdem, welche Sitzgruppe des 2. Strafsenats über die Revision zu entscheiden hat wird diese

a) derzeit nicht entschieden, da man nicht korrekt besetzt ist

b) entschieden, weil man korrekt besetzt ist

Die von Variante b) Betroffenen können bei dieser Sachlage natürlich nach „Gewinn“ einer Verwerfung der Revision mit beachtlichen Argumenten eine Verfassungsbeschwerde einlegen.

Photo by C@rin@

Strafsenate des BGH falsch besetzt?

Wie der Spiegel in seiner morgen erscheinenden Ausgabe 2/2012 berichtet, habe ich im Rahmen eines laufenden Revisionsverfahrens die fehlerhafte Besetzung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs gerügt. Die Besetzung des 4. Strafsenats ist ebenso fragwürdig.

Dies liegt am neuen Geschäftsverteilungsplan des BGH für das Jahr 2012. Dort heisst es unter anderem:

„B Besetzung der Senate und der Ermittlungsrichterstellen

II. Strafsenate

2. Strafsenat
Vorsitzender Richter            Dr. Ernemann        (außerdem 4. Strafsenat)
am Bundesgerichtshof

4. Strafsenat
Vorsitzender Richter            Dr. Ernemann        (außerdem 2. Strafsenat;
am Bundesgerichtshof                                        die Tätigkeit im 2. Straf-
                                                                           senat geht im Kollisions-
                                                                           fall vor)
…“

Dem bisherigen Vorsitzenden des 4. Strafsenats wurde also nunmehr auch der Vorsitz im 2. Strafsenat zuteil.

Dies ist ein klarer Verstoß gegen Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz, eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter.Das ist keine Auffassung, die ich mir ausgedacht habe, sondern diejenige des Bundesgerichtshofs selbst.

 

Der Vorsitzende des Strafsenats entscheidet in allen Revisionsverfahren im Rahmen der Beratung zwingend mit, § 139 Abs. 1 GVG. Er muss zudem wesentlichen Einfluss auf die Rechtsprechung und den Geschäftsgang seines Spruchkörpers ausüben. Wenn ein Richter Vorsitzender in zwei Spruchkörpern ist, muss daher sichergestellt sein, dass er einen richtungsweisenden Einfluss auf den Geschäftsgang und die Rechtsprechung seines Spruchkörpers behält. Dazu muss der Vorsitzende mindestens 75% seiner Aufgaben als Vorsitzender auch selbst wahrnehmen und kann sich insoweit nicht von anderen Richtern des Spruchkörpers vertreten lassen.Wer will, kann das im Einzelnen nachlesen in BGHZ 37, 210.

Beim gleichzeitigen Vorsitz in zwei Senaten des BGH muss der Vorsitzende Richter am BGH Dr. Ernemann also mindestens 150% der Arbeitsbelastung eines „normalen“ BGH-Vorsitzenden aushalten. Da ich bisher davon überzeugt war, dass Senatsvorsitzende eines Strafsenats am BGH sicherlich nicht weniger arbeiten als z.B. ein Anwalt (und wir haben bekanntlich keine 40-Stunden-Woche), kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen.Laut SPIEGEL auch andere Richter am BGH nicht, ebenfalls die ehemalige Vorsitzende des 2. Strafsenats, Frau Dr. Rissing-van Saan. In diesem Sinne titelt der Spiegel dann auch „Der doppelte Richter“.

Ich werde Sie hier weiter auf dem Laufenden halten.

UPDATE 9.01.2012

Hier habe ich nun auch einen Hinweis zum Artikel im SPIEGEL gefunden…