Wie der Spiegel in seiner morgen erscheinenden Ausgabe 2/2012 berichtet, habe ich im Rahmen eines laufenden Revisionsverfahrens die fehlerhafte Besetzung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs gerügt. Die Besetzung des 4. Strafsenats ist ebenso fragwürdig.
Dies liegt am neuen Geschäftsverteilungsplan des BGH für das Jahr 2012. Dort heisst es unter anderem:
„B Besetzung der Senate und der Ermittlungsrichterstellen
…
II. Strafsenate
…
2. Strafsenat
Vorsitzender Richter Dr. Ernemann (außerdem 4. Strafsenat)
am Bundesgerichtshof
…4. Strafsenat
Vorsitzender Richter Dr. Ernemann (außerdem 2. Strafsenat;
am Bundesgerichtshof die Tätigkeit im 2. Straf-
senat geht im Kollisions-
fall vor)
…“
Dem bisherigen Vorsitzenden des 4. Strafsenats wurde also nunmehr auch der Vorsitz im 2. Strafsenat zuteil.
Dies ist ein klarer Verstoß gegen Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz, eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter.Das ist keine Auffassung, die ich mir ausgedacht habe, sondern diejenige des Bundesgerichtshofs selbst.
Der Vorsitzende des Strafsenats entscheidet in allen Revisionsverfahren im Rahmen der Beratung zwingend mit, § 139 Abs. 1 GVG. Er muss zudem wesentlichen Einfluss auf die Rechtsprechung und den Geschäftsgang seines Spruchkörpers ausüben. Wenn ein Richter Vorsitzender in zwei Spruchkörpern ist, muss daher sichergestellt sein, dass er einen richtungsweisenden Einfluss auf den Geschäftsgang und die Rechtsprechung seines Spruchkörpers behält. Dazu muss der Vorsitzende mindestens 75% seiner Aufgaben als Vorsitzender auch selbst wahrnehmen und kann sich insoweit nicht von anderen Richtern des Spruchkörpers vertreten lassen.Wer will, kann das im Einzelnen nachlesen in BGHZ 37, 210.
Beim gleichzeitigen Vorsitz in zwei Senaten des BGH muss der Vorsitzende Richter am BGH Dr. Ernemann also mindestens 150% der Arbeitsbelastung eines „normalen“ BGH-Vorsitzenden aushalten. Da ich bisher davon überzeugt war, dass Senatsvorsitzende eines Strafsenats am BGH sicherlich nicht weniger arbeiten als z.B. ein Anwalt (und wir haben bekanntlich keine 40-Stunden-Woche), kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen.Laut SPIEGEL auch andere Richter am BGH nicht, ebenfalls die ehemalige Vorsitzende des 2. Strafsenats, Frau Dr. Rissing-van Saan. In diesem Sinne titelt der Spiegel dann auch „Der doppelte Richter“.
Ich werde Sie hier weiter auf dem Laufenden halten.
UPDATE 9.01.2012
Hier habe ich nun auch einen Hinweis zum Artikel im SPIEGEL gefunden…
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Wenn das Wörtchen